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ZeitZeichen




















Frühzeitige Dämmerung

Mein Mitarbeiter und ich wissen es jetzt! Warum es schon so früh dunkel wird. Dienstag, 5. November 2012 16Uhr49 und es dämmert. Wir haben es über Wochen genaustens beobachtet! Heute Morgen zum Beispiel, es war gerade 9Uhr15, da stand die Sonne schon auf Mittag. So verhält es sich schon seit Tagen, ach, seit Wochen...
Wie kann die Sonne dann bis zum Abend reichen? 
Geht doch gar nicht.

5. November 2012, GvF



 




Warteschleife, die Erste

Nummernwiederholung.
Null zwei drei tiptiptip. Tut tut tut – besetzt. Null sechs eins tiptiptip. Diese Nummer ist nicht korrekt. Null fünf vier eins und so weiter, nix, kein Ton. Wahlwiederholungen. Seit zehnuhrzehn bei stündlicher Bedienung. Nervös, aggressive Fingerkuppentrommel auf der Schreibtischplatte und im Kopf. Und dann ist es plötzlich da! Dieses schickige Gedudel zum Absinken... Ich glaub, ich muss mal ordentlich kiffen, so richtig kiffen, volle Dröhnung kiffen, dann kann ich auch mal mittanzen... und dann, ja dann frage ich diesen Typen, du weißt schon wen, den von dieser Dateingpage, ach ne stimmt, habe ich, glaube ich... noch gar nicht richtig von erzählt, auf alle Fälle diesen knackig, super durchtrainierten, sexy Kerl, vom Mossad, ob er mit mir so ne richtig heiße Sohle auf’s Parkett legt... bis das Gummi qualmt. Oder ich besuche die NSA-Zentrale und hole mir meine verlorenen Erinnerungen wieder.

11. August 2012, ⓒGvF








 











 Warteschleife, die Zweite

Es war einer dieser Tage, an denen die Zeit zu stehen schien. Nichts bewegte sich. Selbst Elementarteilchen verharrten bewegungslos. Es gab nur direkt an mir ein paar Bewegungen und Reaktionen. Ich hatte den Warteschleifenblues in der Telefonleitung unterbrochen und mir eine Kanne ingwergewürzten Cacaoschalentee gebrüht. Immer wieder griff ich nach der Tasse, “Wir sind gleich für Sie da“, inzwischen im in mir schwingenden Rhythmus der Warteschleifen, trank sie aus, “Wir sind gleich für Sie da“, setzte sie auf dem Schreibtisch ab, „Legen Sie nicht auf“, schenkte nach, „Zur Zeit sind alle Plätze belegt“, trank sie aus mit ein paar Schlucken, “Wir sind gleich für Sie da“. Nur gut dass der Tee schon etwas abgekühlt war, “Haben Sie noch einen Moment Geduld“. Stellte sie auf den Schreibtisch, „Zur Zeit sind alle Plätze belegt“, schenkte nach... dann war die Kanne leer und der Tee stand in kleinen Schweißperlen auf meiner Haut. Er rann lustig meine Kniekehlen herunter und die Ellenbogenbeuge entlang, den Hals hinunter und um die Haarwurzeln herum. Und ich trug noch nie Dreiwettertaft. Meine Frisur war ruiniert.

Das Klingeln des Telefons trieb meine innercorporale Dusche noch einmal auf Hochtouren und ich griff gut durchgeweicht zum Hörer. War da nicht gerade noch? Etwas ungläubig starrte ich auf den Hörer in meiner Hand. „Hallo, hallo, bist Du dran??“ „Ja, ja, bin ich!“ Ich schüttelte den Kopf und ein Teestrom ergoss sich über meinen Nacken. Meine Freundin aus der Hauptstadt. Sie musste mir unbedingt etwas über ihre Begegnung mit einem entfernt lebenden Liebhaber erzählen. Und dann klagte ich ihr ausgiebigst mein Warteschleifenleid. Der Tee auf meiner Haut war inzwischen kühl und zugig und ich griff nach der Wolljacke über der Bürosessellehne. „Weißt Du, wenn ich dann so richtig zugekifft in Warteschleifentanzlaune bin, ja dann frage ich diesen Typen, du weißt schon wen, den von dieser Dateingpage, ach nee stimmt, habe ich, glaube ich... noch gar nicht richtig von erzählt, auf alle Fälle diesen knackig, super durchtrainierten, sexy Kerl, ob er mit mir so ne richtig heiße Sohle auf’s Parkett legt... bis das Gummi qualmt.“ Ein Zug, ein Klick und das Foto war unterwegs zu ihr. „Ja, und dann fragte ich ihn!“

Drei Tage später erhielt ich einen anonymen Brief. Als ich ihn öffnete fielen drei transparente Tütchen mit blauen Kondomen zu Boden.

02. September 2013, ⓒ GvF



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